Bodenski hat in seinem Buch inniglich Texte aus den letzten 10 Jahren zusammengestellt. Im ersten Teil finden sich Liedtexte die er für SVBWAY TO SALLY schrieb, und die hier zum Teil mit zusätzlichen Strophen abgedruckt wurden, die bei der Vertonung keinen Platz mehr fanden.
Daneben gibt es auch immer wieder Liedtexte zu entdecken, die noch auf keinem Album zu finden sind. Der zweite Teil enthält gereimte und ungereimte Lyrik von Bodenski. Hier zeigen sich neue und überraschende Seiten des Texters, die es zu entdecken gilt. Das Buch inniglich richtet sich vor allem, aber nicht ausschließlich an Fans von SVBWAY TO SALLY, deren Leidenschaft für die Band auch immer eine Leidenschaft für deren Texte ist.
Literarische Schokostückchen
Gute Schokolade und gute Gedichte haben eines gemeinsam: Man sollte sie nicht auf einmal hinunterschlingen, sondern lieber Stück für Stück genießen. Einen solchen Gedichtband hat der Potsdamer Autor Michael Boden mit seinem Erstling "inniglich" vorgelegt.
Boden alias Bodenski ist im wahren Leben Texter, Gitarrist und Drehleierspieler der Potsdamer Band Subway to Sally, die im Frühjahr größere Bekanntheit durch den Sieg bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest" erlangte.
Gänzlich erschließt sich der erste Teil "Lieder & Balladen" des Buches wohl nur Subway to Sally-Fans. Handelt es sich hier doch vornehmlich um die Stücke, die so oder ähnlich auf den Tonträgern der Combo erschienen sind. Aber auch wenn ein Leser nicht weiß, welche Textzeilen anders sind, als in der gesungenen Version, bietet sich ihm hier literarische Kurzweil. Denn Boden schafft es, in seinen Liedern Geschichten mit Tiefgang zu erzählen.
Erschütternd ist zum Beispiel die "Ballade von John L. Evans", in der Boden beschreibt, wie ein zum Tode Verurteilter drei Mal einen Stromstoß auf dem elektrischen Stuhl bekommt, bevor er endlich stirbt. Auch das "Abendlied", das vom Missbrauch eines Mädchens durch den Vater erzählt, hinterlässt eine Gänsehaut.
Literarische Schokostückchen der anderen Art finden sich im zweiten Teil "Gereimtes & Ungereimtes" - eine Sammlung von Texten aus zehn Jahren. Während Boden im ersten Teil an singbare Versmaße gebunden ist, reizt er hier in geschliffener Sprache seine Bandbreite von kurzen, knappen Texten bis zur dreieinhalb Seiten langen Dichtung aus.
Wer Bodens Werke liest, fühlt sich unweigerlich an François Villon und Paul Zech erinnert. Auch Themen der schwarzen Romantik wie Sehnsucht, Natur und Träume finden sich immer wieder. Daneben zauberhafte Texte über die Liebe und das Leben an sich wie das zum Schmunzeln anregende "Verlockung", in dem Boden eine Liebeszene durch grammatikalische Fachbegriffe aufpeppt. Allerdings sind die Texte des Potsdamers nicht immer gleich zu verstehen. Sie haben mehrere Ebenen, die es zu entdecken gilt.
Passend zum oft düsteren Anklang der Texte hüllt sich das Buch ganz in schwarz, nur der Titel leuchtet blutrot. Im Inneren hat Claudia Pfeiffer mit Gaunerzinken den Gegenpart zu den Gedichten erschaffen, über die "Herr Lehmann"-Autor Sven Regener im Vorwort schreibt: "Was Bodenski geschaffen hat, ist große Posie und der kann man den Respekt niemals versagen." Stimmt!
Nicole Demmer, Oranienburger Generalanzeiger
Schau die Feuer, hör die Trommel
Als vor gut drei Jahren Bodenskis "inniglich" erschien, wurde außerhalb einer bestimmten, vor allem musikalischen Szene kaum wahrgenommen. Seitdem hat sich die der Lyrikband weit rund 3000mal verkauft, komplett ohne die klassische Buchwerbung und auch ohne nennenswerte Online-Werbung. Das allein mit der Treue seiner Fans (Bodenski ist Musiker, Texter und Komponist vorzugsweise der Band "Subway to Sally") zu begründen, wie gelegentlich geschehen, ist schlicht unsinnig und verkennt die komplexe lyrische Leistung dieses Bandes.
Zuerst besticht an "inniglich" die eigenständige Sprache der Texte, deren gewaltige Expressivität diskret mit Archaismen unterlegt ist und sich überraschend plötzlich oder irritierend harmonisch mit beinah zärtlicher Schlichtheit verbinden kann. Ging das legitime Misstrauen des 20. Jahrhunderts gegen Pathos notgedrungen mit einer eingeschränkten Ausdrucksvielfalt einher, gelingt es hier, den pathetischen Stilwert so nutzbar zu machen, dass unangebrachte Assoziationen ausbleiben. Pathos als eine natürliche Äußerung menschlicher Gefühlserfahrung verstanden und aufgehoben in einer gleichsam selbstverständlichen Balance.
Gerade in Gedichten mit christlich-religiöser Metaphorik, wie etwa "Kruzifix", "Es kommt ein Sturm" (kyrie eleison) oder die auch im Band aufeinanderfolgenden "Wenn Engel hassen II", "Der Sturz" und "Tag der Rache", verbindet Bodenski die ungewöhnlich starke Suggestivkraft seiner lyrischen Sprache mit formeller Zurückhaltung, zum Beispiel Paarreim oder den Jambus/Trochäus. Dadurch entstehen besagte Balance und eine ganz eigene ästhetische Wirkung, die besonders durch das Rezipientenmoment der Selbsterkenntnis und der Welteinsicht gekennzeichnet ist und teilweise expressionistische Züge trägt. Andere Gedichte, wie die Eröffnung "Henkersbraut", weisen eine entfernte Verwandtschaft zur (sozialkritischen) Romantik auf, sind aber deutlich härter im Zugriff als etwa Chamissos "Der Bettler" und ebenfalls stilistisch eigenständig. Reimlose und freirhythmische Texte finden sich vor allem im zweiten Teil des Bandes, der nur bei einem flüchtigen Lesen weniger "Bodenski" zu sein scheint - tatsächlich hat sich sein Name bereits zu einem Stilbegriff entwickelt - als der erste und sich durch eine Vielzahl sehr gegensätzlicher Texte auszeichnet, die von poetologischen Gedichten ("Verlockung") bis hin zu gesellschaftskritischen reicht. So setzt sich etwa "Fleiß der Entdecker" in der äußeren Sinnschicht mit Kolonialismus auseinander, dabei ist es kennzeichnend, wie für den Band generell, dass eine allgemein menschliche, zeitlose, seelische oder gesellschaftliche bzw. philosophische Dimension eröffnet wird und die spezifische Form damit so korrespondiert, dass der Text auf eine unaufdringliche Weise tief eindringlich wird.
Es sind aber vor allem zwei Merkmale, die "inniglich" von der Masse der Gegenwartslyrik abheben: Bodenski trennt das Lyrische Ich radikaler als gemeinhin üblich vom Autoren-Ich, wobei die monologische Ichaussprache diese Gedichte nicht im herkömmlichen Sinn als Rollengedichte konstituiert, auch wenn mit dem entsprechenden Gestus, etwa durch Titel wie "Mephisto" oder "Minne", gespielt wird. Hier werden keine typisierten Gefühls-, Welt- o. ä. Konzepte abgehandelt, sondern bestimmte Aspekte der menschlichen Psyche einzeln oder als Komplex verhandelt. Das angesprochene "Mephisto" zum Beispiel setzt sich einfach bloß mit Verlockung oder Verführung auseinander, ist vielmehr eine sehr genaue Replik auf den zeitgeistigen persönlichen Glücksanspruch in seiner Betonung des Augenblickerlebens. Das ist aber nur eine von verschiedenen Interpretationen. In diesem Zusammenhang stehen auch Texte wie "Die Schlacht", ein Gedicht, das sich über drei Stufen und eine fein subtile Zäsur in beinah hypnotisch-suggestiver Argumentation hintersinnig mit der Ethik individueller Selbstverwirklichung auseinandersetzt.
Und "inniglich" ermöglicht es, Lesegewohnheiten zu überwinden. Was bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht ungelenk wirken könnte, lässt sich vielmehr als Rehabilitierung des Jambus verstehen. Es ist eben nicht notwendig, Trochäus und Jambus schulmäßig zu "leiern"; vielmehr ermöglicht ihr gleichmäßiger, harmonischer Rhythmus das einzelne Wort in seinen Konnotationen und Klangmöglichkeiten auszukosten, in der Tat ein sinnliches Vergnügen und ein ästhetischer Reiz, den Betonungsmöglichkeiten innerhalb dieser Vorgabe nachzuspüren.
Mag es für den hastigen Leser vorteilhaft sein, die Vertonungen, die es für einige (dann oftmals textuell bearbeitete) Gedichte gibt, bzw. Eric Fishs kongeniale Interpretationen zu kennen, wodurch sich z. B. der Zugang zum Pathos und die Dechiffrierungsarbeit im Ansatz erleichtern, ist für diese Lyrik die konkrete Vertonung keine Konstituente, das Klangerlebnis entsteht allein aus Bodenskis Sprache.
Uta Wiedemann, OSTRAGEHEGE - Zeitschrift für Literatur und Kunst, Ausgabe 49
Lyrischer Kurzstreckenlauf
Der Gitarrist und Texter der Potsdamer Mittelalter-Metalband "Subway to Sally", Michael Boden, las im Club 18 Liedtexte und bisher unvertonte Lyrik.
Boden zitierte bekannte Lieder wie "Henkersbraut", "Herrin des Feuers" oder "Krötenliebe" in zum Teil längeren Fassungen der passend - gekürzten Songs. Ein Schlagertexter habe einmal gesagt, er mache "schwarzen Kitsch", erzählte der 42-Jährige und beschrieb damit recht treffend den morbiden Charme, den Zeilen wie "Aufgelöst in Rauch und Asche will ich brennend untergehen" verströmen. Sie stehen im Gegensatz zu Stücken aus dem Album "Engelskrieger", das nach dem 11. September 2001 entstanden ist, die sich mit todernsten Themen wie Sterbehilfe, Krebs oder Kindesmissbrauch auseinandersetzen.
Wieviel Verantwortung gerade diese Lieder mit sich brächten, erklärt Boden anhand des Titels "Narben". Der Text beschreibe das verzweifelte Gefühl zwischen Schmerz und Befreiung eines Borderliners, der sich selbst Schnitte zufüge. Dass die pathetische, treibende Musik den Anschein einer Verherrlichung der Selbstverstümmelung haben könnte, habe er nicht kommen sehen, so Boden. Um nicht missbräuchliche Interpretationen zu befördern, spiele die Band das Lied seit Jahren nicht mehr live.
Eine größere Leichtigkeit haben die Verse Bodens, die nicht in das Korsett von zwei Strophen und Refrain geschnürt sind und nicht dem Sänger seiner Band leicht über die Lippen gehen müssen. Zum Beispiel das Gedicht "Verlockung", das geballte Grammatik in eine erotische Phantasie transportiert: "Deklinier' mich durch die Fälle/ zeig mir, wo die Nomen wohnen/ schenke mir Interjektionen".
Das Lieblingsgedicht meiner Mutter. Der Klang der Wörter und das Spiel mit der Sprache sind in diesen Zeilen wichtiger. So spielt das laut Boden "Lieblingsgedicht meiner Mutter" mit der Aufforderung "Falle!: aus dem Rahmen/ ins Gewicht/ jemandem zur Last/ in den Schoß mir/ aber niemals in den Rücken."
Als Vorbilder nennt der Musiker und Texter auf Nachfrage aus dem Publikum den expressionistischen Ton Trakls und Benns oder die Lyrik Heiner Müllers.
Gern greife er zudem auf schöne alte Formen wie "inniglich" zurück, das er als Wortpate pflege und als Titel seines Buches ausgewählt habe. Ob er auch einen Roman schreiben wolle? "Niemals, ich bin in dieser Hinsicht ein Kurzstreckenläufer!"
Jana Noack, Märkische Allgemeine Zeitung (Potsdamer Tageszeitung), 08.12.2007
Inniglich
Lyrik und Lyrics sind zwei Paar Stiefel. Die Fälle, in denen ein Songtext seinen Effekt unabhängig davon erreicht, ob er in Musik eingebettet oder nüchtern als Schriftstück daherkommt, sind selten. Sven Regener, seit einiger Zeit ja auch als Romancier erfolgreich, versteht es, für Element Of Crime solche Texte zu verfassen.
Dass er ein Vorwort für Inniglich geschrieben hat, darf als Indiz gewertet werden, dass auch Bodenski in die seltene Kategorie jener Künstler fällt, die auf dem schmalen Grat zwischen Literatur und Rockpoesie wandeln. Wenn es denn eines solchen Hinweises immer noch bedarf. Das Inhaltsverzeichnis dieses schmucken Bandes liest sich wie eine überdimensionale Setlist für ein großes Subway To Sally-Konzert, eine Reise durch die Bandgeschichte, die von Arche bis Schneekönigin reicht, also immerhin zehn Jahre überbrückt. Zeit genug, zu erkennen, dass der Texter der Potsdamer zwischen expressiven Bildern und romantischer Naturnähe einen ganz eigenen Sprachgestus entwickelt hat.
Die Lektüre bringt endgültig ans Licht, warum die beständige Einordnung des Septetts in den Mittelalter-Sektor so unzureichend ist: Ja, es gibt sie hier, die Vagabunden, die Liebeshungrigen, die auf Villon-Kenntnis des Autors schließen lassen. Sie sind allerdings aus dem konkreten historischen Rahmen ins Zeitlose entrückt. Bodenski sucht nicht die Mär aus ferner Zeit, sondern das Bleibende, Menschliche, das damals und heute verbindet. Die Illustrationen von Claudia Pfeiffer, Gaunerzinken, unterstreichen diesen Aspekt hervorragend. Die abstrahierten Orientierungszeichen der Herumtreiber haben einerseits eine lange Tradition, existieren aber eben auch heute noch. Inniglich ist jedoch mehr als ein einfaches Subway To Sally-Textbuch. Einige der Lyrics sind in Alternativversionen vertreten oder um neue Strophen erweitert.
Neben diesen interessanten Variationen finden sich unter der Überschrift "Gereimtes und Ungereimtes" schließlich auch noch Gedichte, die nichts mit der Band zu tun haben. Zeugnisse der Freude am Spiel mit Worten und Formen. Alles in allem eine äußerst gelungene Angelegenheit.
Christoph Kutzer, Orkus Musik-Magazin
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